16.09.2015, 20:00 — Obere Säle im Museum

GESPRÄCHSFORUM IM MUSEUM mit Prof. Dr. rer. pol. Adolf Wagner

Orientierungen und Fehlorientierungen der deutschen Zuwanderungspolitik

Programm

Seit weit über hundert Jahren wird in der Wissenschaft über die Bedeutung der Be­völkerung für ein Land und der Wanderungen geforscht. Nach dem Zweiten Welt­krieg lebte die Thematik mit der Anwerbung sogenannter ,,Gastarbeiter" und wegen der defizitären Entwicklung der inländischen Bevölkerung auf. Gegenwärtig ist das Thema der Zuwanderung höchst aktuell, wobei damit gelegentlich eine innenpoliti­sche Sprengkraft verbunden zu sein scheint. Hier tut Versachlichung not, um die es im Vortrag geht. Fehlorientierungen der Zuwanderungsdebatte kamen von Trägern hoher Ämter und auch von wissenschaftlichen Beiräten ins kollektive Bewusstsein, etwa diese: Man solle sich um Fortschritt und Produktivitätssteigerung kümmern und weniger um die Demografie, Deutschland sei kein Einwanderungsland und man könne erforderlichenfalls von überall her hinreichend viele Zuwanderer zur Auffüllung des Staatsvolks gewinnen, beliebige multikulturelle Mischungen brächten auch kurz­fristig keine Spannungen mit sich, der demokratische Staat sei überhaupt nicht zu Bevölkerungszielen legitimiert, die entwickelten Länder sollten mit ihrer Schrumpfung ein Beispiel für die demografisch explodierenden Entwicklungsländer geben. Eine lange Phase bevölkerungspolitischer Ignoranz reicht so nahe an die Gegenwart heran, dass die Umsteuerung auf ein angemesse­nes ,,Bevölkerungsbewusstsein" nun im politischen Alltag Schwierigkeiten bereitet. - Sachgerechte Orientierung fängt bei der Einsicht an, dass keine Gesellschaft der Welt durch permanente große und beliebig rasche Zuwanderun­gen lebensfähig bleibt. Erfor­derlich ist - bei kurzfristigen klug geregelten kompensa­torischen Zuwanderungen - eine durch die Gesamtheit aller Lebensumstände ge­währleistete demografisch stabi­lisierende Nettoreprodukti­onsrate von eins aller po­tenziellen jungen Elternpaare. - Eine Fortsetzung der Dis­kussion wird sich über eigene ,,nationalökonomische" Be­lange hinaus auf die Interes­senlage der ,,Entsendeländer" verlagern. Es öffnen sich damit weite multinationale und multikulturelle Interessenfel­der für Wissenschaft und Politik.  

Univ.-Prof. Dr. Dr. h. c. Adolf Wagner ist Absolvent der Universität München, promo­viert und habilitiert für ,,Volkswirtschaftslehre und Statistik" an der Universität Tübin­gen, Ehrendoktor der TU Chemnitz. Er war nach seiner Professur für Volkswirt­schaftslehre und Mathematik an der FH Reutlingen Lehrstuhlinhaber an den Univer­sitäten Marburg, Tübingen und Leipzig (für Volkswirtschaftslehre, Statistik sowie Em­pirische Wirtschaftsforschung). Ferner war er fünfmal Dekan und einmal Prorektor sowie Direktor des IAW Tübingen und des IEW Leipzig. Bekannt wurde Prof. Wagner als Lehrbuchautor und Übersetzer bekannter Werke. Er war 29 Jahre Mitherausge­ber der angesehenen ,,Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik" (davon 11 Jahre geschäftsführend). Er ist Mitglied des Ausschusses für Evolutorische Ökono­mik im Verein für Socialpolitik und der Keynes-Gesellschaft. In seinem vorakademi­schen Berufsleben war Wagner erfolgreich im bayerischen Sparkassenwesen tätig. 

Gäste sind zu der Veranstaltung herzlich willkommen.


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