17.02.2010, 20:00 — Schillersaal = Kino 1

Kollaboration

EINFÜHRUNGSVORTRAG von Wolfram Kremer am
17.02.2010, 19.15 Uhr
im Uhlandsaal des Museums, Wilhelmstr. 3.
Eintritt frei!

Programm

Ein Geniestreich ist Ronald Harwood gelungen. Das ist die Meinung der Kritiker in den Uraufführungs-Rezensionen über Kollaboration beim renommierten Chichester-Festival. Das Stück über die Zusammenarbeit von Richard Strauss und Stefan Zweig bei dem Libretto zur komischen Oper Die schweigsame Frau schätzen sie noch höher als Der Fall Furtwängler.

 

,,Ronald Harwoods jüngstes Stück Kollaboration beginnt mit einem Lacher. Und endet unter Tränen. Richard Strauss, der Held dieses Stücks, geht auf die siebzig zu und fürchtet, nach dem Tode Hugo von Hofmannsthals, der ihm u. a. die Libretti für seine Opern Elektra, Der Rosenkavalier, Frau ohne Schatten und Arabella geschrieben hatte, nie wieder eine Oper komponieren zu können, weil er keinen Librettisten von Rang findet. Die Noten schwirren in seinem Kopf herum, und er fürchtet, an Musik förmlich zu ersticken.
 
Als Stefan Zweig sich zur Zusammenarbeit bereit erklärt und Strauss Die schweigsame Frau vorschlägt, betrachtet der Komponist es wie ein Gottesgeschenk. Aber die Partnerschaft ist überschattet von der NS-Diktatur, die den deutschen Komponisten instrumentalisieren, den jüdischen Librettisten aber nicht dulden will. Während sich der politisch naive Strauss mit den Machthabern arrangiert, um die jüdische Schwiegertochter zu beschützen, und um sich den Rücken freizuhalten für die Arbeit, kann Zweig die Zerstörung seiner geistigen Heimat in der europäischen Kultur nicht ertragen. Seine Welt bricht zusammen.
 
Ronald Harwood geht dem moralischen Dilemma des Künstlers nach, den der totalitäre Staat zwingt, zwischen Berufung und Gewissen zu wählen. Als Musikliebhaber und Sohn von südafrikanischen Juden litauischer und polnischer Herkunft hat Harwood ein sehr persönliches Interesse an dieser Thematik entwickelt.
 
Strauss sprudelt als Komponistengenie vor altmännerhaft-kindlicher Begeisterung, wenn es um Musik geht, und schäumt vor Wut, als er erfährt, dass Zweigs Name auf dem Theaterzettel zur Schweigsamen Frau fehlt. Zweigs Selbstmord empfindet er als unverzeihlichen Verrat. Für ihn ist Zweig der eigentliche Kollaborateur - weil er tat, was die Nazis wollten, und sich umbrachte."
 
Uraufführungskritik von Gina Thomas, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 19.8.2008
(Geringe Kürzungen und Ergänzungen sind nicht gekennzeichnet.)

 

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